VG Ansbach: Urteil zu Videoüberwachung

Das VG Ansbach hat am 23.02.2022 mit Az.: AB 14 K 20.00083 über eine Videoüberwachung in einem Fitnessstudio entschieden.

 

Der Betreiber des Fitnessstudios hatte seine Trainingsräume und den Thekenbereich seines Studios durchgehend mit sechs installierten Videokameras während der Öffnungszeiten überwacht, die Aufzeichnungen 48 Stunden gespeichert und dann gelöscht. Als Grund für die Videoüberwachung führte er an, dass es in der Vergangenheit mehrfach Diebstähle und Sachbeschädigungen gegeben habe und weibliche Trainierende vor sexuellen Übergriffen geschützt werden sollen. Er stützte die Rechtfertigung der Videoüberwachung damit auf Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO, der Wahrnehmung seiner berechtigten Interessen und auch der berechtigten Interessen Dritter.

 

Dem schloss sich das Gericht nicht an. Zwar sei Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO als Rechtsgrundlage für eine Videoüberwachung heranzuziehen, doch vorliegend konnten die Interessen des Studiobetreibers an der Prävention und Verfolgung von Diebstählen und Sachbeschädigungen und die Interessen der Trainierenden vor Diebstahl und sexuellen Übergriffen die Videoüberwachung nicht rechtfertigen. Denn die Interessen aller Trainierenden, namentlich deren Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG überwiegen im konkreten Fall.

 

Hierzu führte das Gericht eine sehr ausführliche rechtliche Abwägung vor:

 

Notwendig für ein „berechtigtes Interesse“ nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO ist „ein guter Grund“, also ein schutzwürdiges und objektiv begründbares Interesse. Dies sei vorliegend gegeben. Auch eine „Erforderlichkeit“ der Videoüberwachung könne noch bejaht werden, weil betreffend der Aufklärung von Diebstählen, Sachbeschädigungen und Übergriffen kein anderes –gleich effektives Mittel- ersichtlich ist.

 

Allerdings überwiegen die Interessen der Trainierenden die Interessen des Studiobetreibers, denn bei einer durchgehenden Videoüberwachung während der gesamten Öffnungszeiten auf allen Trainingsflächen handelt es sich um einen gravierenden Eingriff in deren Grundrechte nach Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG, v. a. da diese auch nicht in nicht- überwachte Bereiche ausweichen können. Zudem müssen die Trainierenden auch nicht mit einer Überwachung rechnen, da dies in öffentlich zugänglichen Bereichen für Freizeitaktivitäten nicht üblich ist. Die notwendige Beschilderung zur Videoüberwachung ändere hieran nichts.

 

Interessant ist, dass die Betrachtung der konkret vorgebrachten Schäden des Studiobetreibers auch keine andere Entscheidung herbeigeführt hat. So führte das Gericht im konkreten Fall aus, dass es sich um ca. 10 Diebstähle pro Jahr und um Sachbeschädigungen im Wert von 10.000 bis 15.000 EUR im Jahr handeln würde. Bei beispielshaften Einnahmen im Jahr 2019 in Höhe von EUR 200.000,00 sei dies noch ein „Rahmen“ der „in keinem Verhältnis zur lückenlosen Videoüberwachung steht“.

 

Auch den Schutzinteressen der Trainierenden vor Diebstählen und Übergriffen erteilte das Gericht eine Absage. Die Trainierenden sollten entweder Wertgegenstände in Spinde sperren und zu zweit oder zu „risikoärmeren“ Zeiten trainieren.

 

Die Interessen der trainierenden Mitglieder an einem ungestörten und unbeobachteten Training in deren Freizeit und damit der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gehen den – wirtschaftlichen -  Interesse des Betreibers vor.  Dieser habe die Schäden entweder als noch „im Rahmen“ hinzunehmen oder sein Personal aufzustocken.

 

Fazit:


Die Grundsätze dieser Entscheidung sind auf die Videoüberwachung im Arbeitsverhältnis komplett übertragbar. Im Zweifel müssten im Arbeitsverhältnis noch strengere Regelungen angenommen werden, da die Mitglieder eines Fitnessstudios das Studio wechseln können, die Mitarbeiter*innen aber keine Wahl haben und sich einer Videoüberwachung im Arbeitsverhältnis nicht entziehen können.

 

Interessant ist auch, dass nicht einmal ein nachweisbarer Schaden in Höhe von knapp 10% des Jahresumsatzes nach Ansicht des Gerichts ausreicht, um eine dauernde Videoüberwachung rechtfertigen zu können.

 

Auch die äußerst kurze Dauer der Speicherung (hier 48h) konnte nicht zu einer positiveren Bewertung beitragen.

 

Beitrag vom 15.07.2022